Tagverloren will ich verdrängen, davonlaufen, bleibe stehen und zwinge mich es durchzustehen.
Ausgelaugte Kraftreserven lassen mich stolpern,
aber Liebe läßt mich Schritt für Schritt weitergehen.

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Das Schweigen der Opfer
hört sich ganz anders an
als das Schweigen der Täter.

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Sonntag, 23. März 2008

10 Minuten





“Du bleibst hier 10 Minuten drin, dann darfst du den Raum verlassen. Wage es nicht das früher zu tun“
Mit einem heftigen Stoss wurde sie in einen halbdunklen Raum befördert. Die Worte begleiteten sie im stolpern, die Stimme war ihr gänzlich unbekannt.

Das Zimmer war sehr geräumig. Licht schien lediglich durch wenige Ritzen in den geschlossenen Holzfensterläden. Genug um sich zu orientieren, doch zu wenig um die aufkommende Angst zu unterdrücken. Es klackte unter ihren Absätzen, was auf einen Parkettboden hindeutete, ansonsten schien der Raum bis auf große Regale an den Wänden leer.

Eben noch war sie die große Treppe runtergekommen, in dem Haus, das seit ein paar Tagen ihr Eigentum war, und das sie nur aus Erzählungen ihrer Mutter kannte. Eine Villa mitten in der Stadt, die Villa ihrer Großmutter. Das Haus stand schon lang leer, und nur wenige noch nicht verkaufte Möbel waren noch darin. Es hatte Spaß gemacht sich überall umzusehen, in einigen alten Kisten zu stöbern und sich für einen Moment reich und groß zu fühlen.

Jetzt allerdings sah das alles ein wenig anders aus. Sie legte ihr Ohr an die Tür, und vernahm nur ein leises Stöhnen.
Sie sah auf ihre Uhr, es war gerade mal eine Minute vergangen.

War es nicht immer so, das sich die Zeit anders verhielt wenn man in Grenzsituationen war?

Angstvoll beobachtete sie die Tür, doch außer dumpfen Geräuschen auf der anderen Seite konnte sie nichts wahrnehmen. Sie mußte um Hilfe rufen. Leicht panisch begann sie in ihrer Handtasche nach ihrem Handy zu suchen. Erleichterung machte sich breit als sie es in den Händen hielt, aber auch die sofortige Ernüchterung. Der Akku war leer.
Zwei Minuten.

Sie ging leise zur Fensterfront. 5 Große weite Fenster, alle mit schweren Holzläden verschlossen, die dem Haus von außen einen so romantischen Anblick gaben. Gerade als sie einen Fenstergriff anfassen wollte stieß etwas gegen die Tür. Sie zuckte zurück. Mit geweiteten Augen sah sie zur Tür, doch nichts rührte sich mehr dahinter.
Drei Minuten.

Noch einmal kramte sie in der Tasche nach ihrem Handy, vielleicht hatte es ja doch noch ein kleines bißchen Energie...Fehlanzeige. Die Angst steigerte sich, und noch einmal legte sie ihr Ohr an die Tür. Sie lauschte, und als ihr Ohr die Tür berührte schlug etwas mit voller Wucht von der anderen Seite dagegen. Sie schrie auf, hielt sich aber sofort erschreckt die Hand vor den Mund. Warum sie das tat wußte sie nicht, war doch bekannt daß sie in diesem Raum war. Aber wer war da auf der anderen Seite? Und was sie noch mehr interessierte...was geschah dort.
Vier Minuten.

Vor der Tür schien nun ein heftiger Kampf im Gange zu sein. Es polterte jemand stöhnte immer wieder auf...heftige Schläge erschütterten die Tür...dann wieder Totenstille. So vergingen ohne das sie sich zu bewegen traute.
Fünf Minuten.
Sechs Minuten.
Sieben Minuten.
Acht Minuten.

Sie überlegte was sie nach Ablauf der Zeit tun sollte, einfach rausgehen, an egal was vorbei gehen, mit den besten Wünschen für den Tag. Oder aber das Zimmer einfach nicht verlassen? Warten bis jemand kam, der ihr sagte sie könne gehen. Doch nochmal versuchen die Fenster zu öffnen. Was wenn jemand mit einer Waffe hinter der Tür stand, und die zehnte ihre letzte Minute war? Sie konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen.
9 Minuten.

Sie versuchte sich zu fassen. Allen Mut zusammen zu nehmen, und stand auf. Sie strich sich die Kleidung glatt, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, legte die Hand auf den Türknauf und öffnete nach Ablauf der
10 Minuten
die Tür.

Da war...nichts. Also nichts von dem eine direkte Bedrohung ausging. Der Flur sah aus wie ein Schlachtfeld. Die noch verbliebenen Einrichtungsgegenstände waren wild verstreut, und Blutspritzer bedeckten das gesamte Inventar. Rechts von sich vernahm sie ein Geräusch, und spürte wie sie etwas am Arm packte.

Sie unterdrückte einen Schrei, und drehte sich um. Dort war ein Mann, blutüberströmt, der sie zur Ausgangstür drängte. Mit schwerer Stimme sagte er: “Er wird weitermachen, noch lebe ich, also wird er weitermachen. Sie müssen weg schnell. Die 10 Minuten haben ihm nicht gereicht um mich zu töten.“
Gemeinsam öffneten sie die schwere Tür, und sie trat ins Freie. Der schwer verletzte Mann schob sie hinaus, und schloß dann für sie unverständlich die Tür wieder, ohne selbst das Haus zu verlassen.

Sie begann zu rennen. Die Auffahrt die ihr beim Betreten des Grundstücks so wunderschön vorkam war nun unendlich lang. Sie hatte keinen Blick mehr für den immer noch gepflegt wirkenden Garten, die blühenden Büsche...den Sonnenschein. Sie rannte nur noch.

Als sie die Strasse erreichte war es als würde sie in eine andere Welt eintauchen. Alles wirkte durcheinander und irgendwie orientalisch. Sie beachtete das nicht und suchte ein Telefon. Hilfe holen, das war ihr Ziel, und verstehen was sie eben noch erlebt hat...

Während dem Suchen bin ich schwer verängstigt wachgeworden, und begann mich umzusehen. Ich war da wo ich hingehörte. In meinem Bett, nur das es wieder eine der Nächte war, an die ich mich leider erinnern werde.
Achja...das Handy ist geladen.

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